der wunsch zum glück
susan barth & timo marcel hildebrandt
seiten
38-39
FIVE
MAGAZIN
Was glücklich macht, will man festhalten wie das
Wasserglitzern in den Händen. Und immer ver-
schwindet es, ohne dass man weiß, wann es damit
begonnen hat, nicht mehr da zu sein. Wenn wir
zufrieden sind, können wir das Glück in den Hand-
flächen betrachten, es vorsichtig halten. Wir dürfen
die Hand nur nicht zur Faust verschließen.
Der Raum ist gefüllt mit Stimmen und Geräuschen
von Metall auf Porzellan, Kratzen von Schuhen und
Stuhlbeinen. Gefüllt mit Lichtern und dem Ge-
ruch, den man kennt, von allen Tagen, an denen
man wirklich irgendwo angekommen ist. Sitzen auf
Stühlen, auf denen wir bei den Großeltern saßen,
bei den Tanten und Onkeln, die mit der kaputten
Springfeder irgendwo (die Stühle, nicht die Tanten),
aber die wir lieben und vermissen, wenn wir uns
daran erinnern. Die Zuckerdosen – als man klein
war und vorsichtig den viel zu vollen Teelöffel Zu-
cker balanciert und ganz langsam in den Tee oder in
Mamas Kaffee gerieselt hat. Die Blumen auf den Ti-
schen und die Tische, die das Gefühl geben von Zu-
hause, von bewohnt, von einem Ort, an dem gelebt
wird und an den täglich neue Geschichte getragen
wird. Ein Ort, an dem es einem leicht fällt, zufrieden
zu sein. Draußen wie der Traumgarten, den man ir-
gendwann mal gern hätte, mit Lichtern überall, im
Sommer Gartenfeste mit den Freunden feiern.
Ankommen, das Verweilen, das Dasein und dann
der Aufbruch wieder hinaus in diese regenverschlei-
erte Stadtsilhouette. Etwas in sich mitnehmen.
Nicht nur den warmen Magen vom Milchkaffee
oder die Süße im Mund von den Waffeln, sondern
in der Mitte, irgendwo rechts neben dem Herz, im
Brustkorb eine Wärme wie ein Abdruck: ein biss-
chen Zufriedenheit, ein bisschen glücklich sein
mit raus nehmen in die Stadt, wo man sich in eine
Richtung einreihen muss, weil man anstößt, wenn
man nicht auf dem Weg irgendwohin ist. Keine Zeit
zum kurz Stehenbleiben, man muss auf dem Weg
bleiben. Trotzdem ist da irgendwas im Gefühl, wie
die Kastanie in der Jackentasche. Ein Gefühl von der
Zufriedenheit wie das Gefühl der Kindheit – Mama
bringt Kaffee und Kuchen an den Tisch, Oma stellt
die Zuckerdose ab.
Wissen, wir sind erwachsen und trotzdem ist es
in manchen Momenten so leicht ein Kind zu blei-
ben. Weil es sich richtig anfühlt. Weil man einen
Platz findet zwischen den anderen Leuten aus dem
Stadtgetobe. Ankommen, Willkommen sein, Zufrie-
denheit und sich zu Hause fühlen bedeutet doch,
dass man wunschlos glücklich ist.
Der Wunsch zum Glück.
von Susan Barth
1...,28,29,30,31,32,33,34,35,36,37 39,40,41,42,43,44,45,46,47,48,...60